Titel
der Reihe: „Erinnerungen“
Die Filme:
„Der Künstler bei der Arbeit:
Ein anderes Atelier. Die Strassen und Plätze in
dieser Stadt.
Irgendwo steht unbemerkt ein kleiner
selbstgebauter Kasten. Eine Lichtfalle, keine punktebringende Schnelligkeitsfalle
(wer zu schnell ist, hinterlässt höchstens eine geisterhafte Spur). Es handelt
sich um eine Lochkamera. Kein Schockmodus, keine Szenenvoreinstellung.
Belichtungszeiten von vielen Minuten. Eine Technik, die schon vor fast 200
Jahren angewendet wurde. Zeit und Ruhe sind hier nicht nur Voraussetzung für
künstlerisches Arbeiten sondern auch Thema. ...
Diese Videos sind ungewohnt. Es gibt keine
Schnitte. Der Betrachter sieht und hört eine alltägliche Geschichte im
Straßencafe, am Haupteingang des Münsters, auf der Strasse.
Es gibt keinen eigentlichen Anfang, keinen
Auftakt und letztendlich auch keinen Schluss, es handelt sich um Ausschnitte,
eben Alltag, der fortwährend um uns und in uns ist. Doch was verpassen wir,
wenn wir ihn nicht mehr wahrnehmen?
Die Videos irritieren uns. Zwei Ebenen sind
erkennbar: eine unveränderte und eine bewegte. Beide malerisch, wie Fotografien
aus dem 19. Jahrhundert. Verschieden und
doch gleich?
In der Unbewegten sind helle nebelartige
Flächen zu erkennen. Irgendetwas hat dem Licht die Möglichkeit geraubt auf das
empfindliche Papier zu gelangen und eine dunkle Spur zu hinterlassen.
Die Bewegung des Films klärt uns behutsam auf:
Es sind wir in unserer Hektik, in unserem schneller, höher, weiter, die nicht
nur kaum eine Spur hinterlassen werden, sondern auch anderem die Möglichkeit
dazu nehmen. Wir sind es, die das Licht wegnehmen.
Aber, da ist auch der
Schachspieler im Cafe oder die Dame im Münstereingang. Durch ihre Ruhe bleiben
sie wahrnehmbar, erkennbar, entwischen uns nicht wie ein glitschiger Fisch.
Dies alles ist durchaus so aufgenommen, dass es zuweilen ironisch, sogar heiter
wirkt.
Ist Wahrnehmung also eine Frage der
Belichtungszeit? Was nehmen wir dann nicht wahr, weil es zu schnell ist? Oder,
was nehmen wir nicht wahr, weil wir zu schnell sind? Und, wem rauben wir das
Licht und nehmen ihm die Chance eine Spur zu hinterlassen? ... “
(Thomas
Matt, aus der Laudatio am 9.7.2007)
Michael Ott,
1961 in Isny geboren, lebt und arbeitet in Freiburg. Mit der Fotografie beschäftigt er sich seit seinem Studium. Das Medium Video-Film spielt in seiner Arbeit seit 6 Jahren eine größere Rolle. Die seither entstehende Reihe „Erinnerungen“ umfasst mittlerweile über 50 Filme. Davor bewegt sich der größte Teil der künstlerischen Arbeit Michael Otts in den Bereichen Papier und Druckgrafik.
Obwohl
nun ein völlig neues Medium eingesetzt wird bleibt das Thema der künstlerischen
Arbeit erhalten: Es ist die Konzentration auf einen herausgelösten Aspekt der
uns umgebenden Wirklichkeit. Während in den Druckgrafiken ein Objekt aus der
Umgebung gelöst und gesondert dargestellt wird, wird bei den „Erinnerungen“
eine Wahrnehmung aus dem Fluß der Zeit herausgelöst und dargestellt.
Die Szenen sind alltägliche Geschichten und
Erlebnisse an unterschiedlichen Orten zu verschiedenen Anlässen. Erlebnisse,
die oft zu rasch dem Vergessen anheim fallen – auch wenn wir sie doch so gerne
erinnern würden.
Fotografie:
1842 entwickelte J. Herschel ein neues
Verfahren, welches es erlaubte, Natur auf fotografischem Wege mit vielen
Details und reproduzierbar abzubilden. Er nannte das Verfahren Blaudruck. Es
beeindruckte die Zeitgenossen damals durch eine scheinbar objektive Präzision
der Abbildung. Entsprechend wurde es bereits 1843 zur Dokumentation botanischer
Studien eingesetzt.
Mit der Weiterentwicklung der
Fotografie eröffneten sich neue Möglichkeiten verschiedene Abläufe in der Natur
überhaupt erst wahrzunehmen. So setzte Edgar Degas die Fotografie ein um für
das menschliche Auge zu schnelle Bewegungsabläufe auf der Pferderennbahn zu
studieren um sie dann in seinen Bildern umsetzen zu können.
Heute im Zeitalter der digitalen Fotografie ist
klar, dass Fotografie in höchstem Maße subjektiv ist. Sie bildet die Welt
keineswegs objektiv ab, sondern der Fotograf transportiert über Motivwahl,
Kontext, Ausschnitt, Größe, Überarbeitung ... seine Sicht der Dinge. So sind
die Fotografien auch hier nur Ausgangspunkt der weiteren künstlerischen Arbeit.
...

Freiburg, Wiehrebahnhof, 2.7.2006, 20.30 Uhr, 6:22 min

Freiburg, Wiehrebahnhof, 2.7.2006, 17.49 Uhr, 3:31 min

Freiburg, Bertoldsbrunnen, 6.7.2006, 14.08 Uhr, 6:03 min

Freiburg, Münsterportal, 17.7.2006, 16.29 Uhr, 6:54 min

Freiburg, Tauben, 27.9.2006, 17.18 Uhr, 3:13 min

Freiburg, Schäferstrasse, 30.9.2006, 12.30 Uhr, 4:38 min

Freiburg, Kaiser-Josef-Strasse, 18.5.2007, 15.53 Uhr, 4:41 min

Freiburg, Musikerin, 18.5.2007, 16.42 Uhr, 5:13 min