Radierungen auf handgeschöpftem Papier
In der Mitte des 15. Jahrhunderts, wenn nicht schon früher, fanden Ätzungen auf Rüstungen und Waffen Verwendung. Von den Plattnern selbst stammen wohl auch erste Versuche, Abzüge solcher Ziermotive auf Papier herzustellen, was zunächst dem Wunsch gedient haben mag, der Werkstatt die Muster zu erhalten. Die frühest datierte Radierung mag 1513 Urs Graf hergestellt haben, doch gab es zweifellos früher schon Versuche von Daniel Hopfer und seinen Söhnen Lambert und Hieronymus, einer Plattnerfamilie in Augsburg. Offenbar galt es zunächst, den feinen und nicht billigen Kupferstichen ein wohlfeileres Kunstprodukt zur Seite zu stellen. Anfänglich ohne besonderen künstlerischen Ehrgeiz, ging es diesem Kreis vor allem um die Reproduktion fremder Vorlagen.
Doch eben in dieser Zeit - um 1515 - hatte Dürer seine drei Meisterstiche vollendet und nahm sich nun offenbar voller Experimentierlust dieser neuen Möglichkeit an. Einige Meisterwerke entstanden, expressiver und dynamischer als alle verfeinerten Kupferstiche bisher. Aber die Grenze der neuen Möglichkeit war für ihn bald erreicht, sie wurde ihm durch das Material gesetzt.
Hopfer und die anderen hatten ausschließlich Eisenblech als Platte verwendet, Dürer war ihnen darin gefolgt. Doch dieses Metall konnte sich nicht dazu eignen; zu spröde, ließ es nur eine allzu begrenzte Anzahl von Abzügen zu. Noch fehlte ein kleiner, wenn auch entscheidender Schritt: das geeignete Ätzwasser für Kupfer zu entdecken. Man kann annehmen, dass Augustin Hirschvogel aus Nürnberg, tätig am Kaiserhof in Wien, als erster Kupferplatten zu bearbeiten wußte und die Radierung für seine dem Donaustil verwandten Landschaftsblätter verwendete. Der große künstlerische Schritt aber sollte sich im Süden vollziehen, die weitere Entwicklung geht von Francesco Mazzola, gen. Parmigianino, aus, bis sie über Jacques Callot auf der einen und Hercules Seghers auf der anderen Seite zu Rembrandt führt.
Es ist aus vielen Gründen verständlich, dass die Künstler unseres Jahrhunderts kaum ein graphisches Verfahren gleich intensiv beschäftigt hat wie die Radierung. Der Experimentierfreude und den Entdeckungen neuer Kombinationen und technischer Möglichkeiten sind in der Tat kaum Grenzen gesetzt. So wird zum Beispiel durch die Methoden der Direktätzung immer wieder ganz besondere Wirkungen erzielt worden: der Künstler bringt einfach auf irgendeine Weise Säure direkt auf die blanke Platte, er malt oder tropft, wischt oder tupft sie auf. Hält er für den Aufbau seiner Komposition ein exakt festgelegtes Zeitschema ein, so erzielt er damit in der Dichte und Abstufung der Partien höchst reizvolle Gestaltungen. Bei dieser zeitlichen Abstufung spricht man von Ätzvorsprung. Andere Künstler wiederum nehmen außerordentlich tiefe Ätzungen vor, so dass beim Abdruck zu der schwarzweiß linearen oder flächigen Wirkung noch die eines tiefen Papierreliefs hinzutritt. Verwendet der Künstler für diesen Arbeitsgang eine eigene ungefärbte Platte, so kommt es durch solche Prägedrucke zu einer Kombination von (optischen) Bild und (haptischen) Reliefelementen, die sehr interessante kompositionelle Möglichkeiten bieten. Jedenfalls hat die Radierung in der Gegenwartskunst die vielseitigste Verwendung gefunden."
(aus: W. Koschatzky: „Die Kunst der Grafik“, München, 1975, S.142/143)
Die hier vorgestellten Arbeiten wurden
fast ausschließlich auf vom Künstler handgeschöpften Papier hergestellt. Dem
Papier wurden dabei spezifische Eigenschaften verliehen, was seine Stabilität,
Saugfähigkeit oder Oberfläche anbelangt. Dazu wurde das Material mit
Fasern durchsetzt, die ihm einen eigenen Charakter und eine besondere, auch
haptisch fühlbare, grafische Qualität geben. Der Prozeß der Papierherstellung
wird so originärer Bestandteil der grafischen Arbeit und das Papier fester
Bestandteil des jeweiligen Motives.